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"LIFE IN LOOPS ist ein Remix aus Bildern und Tönen. Ein Neuschnitt des Films 'Megacities' von Michael Glawogger, der als Ausgangspunkt diente und einen Teil der Bilder und Töne lieferte. Von anderen Found-Footage-Arbeiten unterscheidet sich LIFE IN LOOPS dadurch, dass unveröffentlichtes und neu gedrehtes Material einfließt. Durch die Verdichtung und Auflösung unterschiedlicher Bild-/Tonsequenzen entstehen neue Betrachtungsweisen - ein Filmremix. Der Ton/Soundtrack ist ein wichtiger Bestandteil von LIFE IN LOOPS. Er entstand parallel und nicht erst nach der Fertigstellung des Schnitts. Auch wurde der Film nicht in Form eines 'Musikclips' zum bereits existierenden Soundtrack erstellt, sondern der Ton bestimmt den Schnitt des Bildes, wie auch der Bildschnitt den Ton beeinflusst. LIFE IN LOOPS ist ein homogenes Ganzes, weil die neuen Sequenzen in Tokyo von 'Megacites'-Kameramann Wolfgang Thaler gedreht wurden. Am ehesten lässt sich das dadurch entstandene Produkt mit seiner dichten symbiotischen Beziehung von Bild und Ton als Experimental-Musik-Dokumentarfilm beschreiben." (Timo Novotny)


 

Life in Loops (A Megacities remix): Interview mit Timo Novotny

 


AFN: Sie sind Teil der Sofa Surfers, kommen Sie ursprünglich von der Musik?

Timo Novotny: Ich bin kein Musiker. Ich komme aus dem Musikvideo-Bereich, habe in der visuellen Medienklasse von Peter Weibel studiert und mit Musik-Videos begonnen. Ja ich bin teil der Sofa Surfers und auch live immer dabei und ich mache die Bühnenshow (visuals), die Videoclips, die Covers - alles, was das Visuelle betrifft.

 

AFN: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Michael Glawogger?

Timo Novotny: Ich bin als VJ tätig und mache live Visuals. Bei der Eröffnung von CineDays 2003 in Brüssel wollte der Kurator, dass europäische Filme in mein Live-Set einbezogen werden. Ich zeige prinzipiell nur meine eigenen Sachen und hasse eigentlich found footage. Da ich selber sehr viele Reisesachen habe, Trash und Super-8 aus New York oder Mexico, die ich ständig reinmische, habe ich spontan Michael Glawogger angerufen. Ich hatte mir gesagt, Megacities ist etwas, das zu meinen Bildern halbwegs funktioniert, weil es auch viel ums Reisen geht und noch dazu aus Österreich kommt. Der Film hat mich sehr inspiriert. Michael hielt es für eine super Idee und hat mich mit der Lotus-Film in Kontakt gebracht. Ich bekam das Material von Megacities, hab es nach Brüssel mitgenommen, wir haben eigentlich ziemlich hart das Bild mit dem Ton hineingeschnitten, und Michael war völlig begeistert. Damals sagte ich ihm, dass ich sehr gerne mehr in die Tiefe arbeiten würde und da ist diese Remix-Idee geboren und war vom ersten Moment dafür.
Wir haben dann etwas naiv gemeint, wir würden ohne weiteres Fördergeld bekommen und ein Jahr arbeiten können. Dem war nicht so, aber wir haben alle Rechte und von Filmfonds Wien und Land Niederösterreich eine Förderung bekommen.

 

AFN: Haben Sie nur das fertige Material von Megacities bearbeitet oder auch das Rohmaterial?

Timo Novotny: Meine Bedingung war, das Rohmaterial zur Verfügung gestellt zu bekommen. Das waren alle vierzig Stunden. Dieses Material musste erst mal synchronisiert werden, das dauerte ein halbes Jahr und dann erst ging der Schnitt los. Ich habe abgesehen von zwei Szenen den Kreativschnitt gemacht, und hatte auch zwei Assistenten – Armin Herzog und Gerald Schober. Was für mich immer feststand,war, dass ich eine neue Stadt einbauen und dafür nach Tokyo fahren wollte. Es war ursprünglich in meinem Konzept, meine Trash-Bilder einzubauen ebenso wie in Tokyo auf Super-8 zu filmen. Letztes Jahr kam aber dann Wolfgang Thaler dazu, der so begeistert war und er einfach sagte, er muss jetzt nach Tokyo mitfahren. Wir sind dann nach Japan, haben beide am Boden geschlafen, also von den Arbeitsbedingungen war es ziemlich hart, aber Wolfgang ist diesbezüglich einiges gewöhnt.

 

AFN: Sind nun auch eigene Bilder von Ihnen im Film?

Timo Novotny: Nein, das hat sich im Konzept geändert. Ich wollte meine Super-8-Sachen, die ich so sehr liebe, einmal in einen Film einbauen. Es hat sich letztlich aber nicht ergeben, der Film ist daher auch wesentlich weniger experimentell geworden, als ich ihn konzipiert hatte. Das ist das einzige, wo ich ein bisschen wehmütig bin, andererseits wiegt der Umstand, dass Wolfgang mit war, das über die Maßen wieder auf. Jetzt ist es ein richtiger Dokumentarfilm, es ist alles auf 16 mm und es ist homogen, alles von einem Kameramann.

 

AFN: Wie kam es, dass die Wahl für den zusätzlichen Dreh auf Japan fiel?

Timo Novotny: Ich wusste, ich wollte nicht den gleichen Weg wie Michael Glawogger gehen. Ich wollte nicht zu den Sandlern, den Junkies und den Nutten. Über eine Internet-Community habe ich einen Mann gefunden, Leute wie er nennen sich Otakus, das sind Leute, die nur mit Manga verbunden sind. Sie leben vereinsamt in kleinen Zimmern, wo alles voller Comics ist. Er ist, so wie er lebt, glücklich, möchte keine Freundin, keinen Sex haben, er ist 22 und hat keinen Traum mehr im Leben. Michaels Figuren haben immer Träume gehabt, die Nutte ebenso wie der Junkie. Ich finde der Tokyo-Protagonist setzt einen guten Kontrapunkt.

 

AFN: Nach welchen dramaturgischen Kriterien sind Sie an das vorhandene Material herangegangen?

Timo Novotny: Drei Elemente waren von der Aussage her völlig klar, dass sie drinnen sein müssen. Der Farbenmischer, der Junkie und die Stripperin. Dann war da noch die Fabrik, da haben wir einen sehr ruhigen experimentellen Sound dazu gemacht. Das waren die vier Schwerpunkte, die für mich feststanden. Was den Rest betrifft, habe ich natürlich geschaut, dass ich möglichst viel Interessantes finde, das nicht im Film vorhanden ist, um Life in Loops möglichst neu zu machen für die Zuschauer, die Megacities kennen. Es sollte kein Teil 2 werden, sondern ich wollte das Ganze erweitern. Es sind vielleicht 30 Prozent von Megacities, aber die restlichen 70 Prozent sollten unveröffentlichtes Material sein. Es war mir sehr wichtig, dass es ein neuer Film wird. Megacities endet mit New York, ich beginne mit New York, nehme aber eine andere Sprachsequenz, erkläre auch, dass es ums Überleben geht und endet mit einem Typen, der sich selbst geißelt, der in Megacities gar nicht vorkommt. Der Film beginnt relativ langsam und geht mal durch die Städte, dann kommt als erste Geschichte der Farbenmischer, dann geht es mit den Schicksalen und Geschichten los, vom Junkie, zur Stripperin, zum Manga-Typen, von ihm dann zu den Manga-Mädchen, die glücklich sind, wenn sie sich anziehen und fotografieren und damit komme ich aber wieder zum schönen Teil des Lebens – High-Sein ohne Drogen – das Tanzpaar z.B., das gar nichts hat und sehr glücklich ist und zum Schluss gibt es noch den Stadtauslauf, den Mist und die Selbstgeißelung. Der ist auch jemand, der glücklich ist, der peitscht sich zwar aus, das verstehen wir überhaupt nicht, er ist aber in seiner Welt, und eröffnet nochmals ein Loop.

 

AFN: Gab es zunächst die Bilder und die Musik kam später hinzu oder war es ein gleichzeitiges Wachsen?

Timo Novotny: Es war ein Sowohl als Auch. Manchmal gibt es Dinge, die wie Musikvideos funktionieren. Ich bekomme ja von den Sofa Surfers ziemlich viel Material, das nicht veröffentlicht wird. Darunter sind Dinge, die ich unbedingt verwenden möchte, und ich schneide meine Bilder dazu. Dann gibt es Dinge, die wie ein Soundtrack funktionieren, d.h. die Bilder sind da und die Sofa Surfers müssen etwas dazu bauen und dann gibt es Momente, wo wir wirklich parallel arbeiten. Speziell beim Junkie war es ein ständiges Hin- und Herschieben mit Bild und Ton. Hier hat eher der Ton den Bildschnitt bestimmt. Wir haben parallel gearbeitet, das hat am längsten gedauert, ist aber auch am intensivsten geworden. Ich finde, das merkt man an der Symbiose zwischen Bild und Ton. Ich finde es sehr schön, dass es weder ein reiner Soundtrack noch ein reines Musikvideo ist,noch ausschließlich beides symbiotisch vereint, sondern dass alle drei Komponenten zum Tragen kommen.

 

AFN: Hat auch der Soundtrack von Megacities mitgespielt. Ich denke jetzt an das schnulzige Lied bei Cassandra?

Timo Novotny: Es war vereinbart, dass ich keinen Originalton verwenden durfte, ich hatte nur die Rechte für das Bild gehabt. Die Musik zu Cassandra ist reine Inspiration von Wolfgang Frisch. Ich habe ihm die Bilder gegeben und gesagt, ich brauche etwas Kitschiges und er ist auf diese Melodie gekommen, die natürlich extrem ist. Es gab zwei Nummern der Sofa Surfers, die schon zuvor bestanden hatten und die verändert wurden. Die Musiknummer zu den Manga-Mädchen ist rein japanisch, das ist von einem Freund aus Japan, der hat das schon seit längerer Zeit gemacht und ich fand, dass es sehr gut passte.

 

AFN: Woher kommt der Titel Life in Loops?

Timo Novotny: Der Titel ist nicht einmal von mir. Der kommt schon in Megacities ganz am Anfang vor. Da gibt es diesen Bioskop-Mann, der ganz am Anfang den Kindern Schleifen zeigt. Loops, also Schleifen, das passt für mich als Titel perfekt. Das passt zu Leuten, die einen Routine-Job haben ebenso wie zu uns Kreativen, die wir glauben, jeden Tag etwas anderes zu machen und in Wirklichkeit laufen wir mental wie arbeitstechnisch auch in unseren Schleifen. Wir laufen immer in unseren Loops und daher passt der Titel sehr gut zu den Bildern, auch zur Musik, die aus Loops besteht.

 

AFN: Sind auch andere Präsentationsmöglichkeiten abgesehen vom Kino denkbar?

Timo Novotny: Natürlich war mein großes Ziel das Kino. 35 mm ist mein Traum gewesen. Ich denke, der Film hätte im Kino eine Chance, weil man die Jugendkultur bewegen könnte und zeigen, dass Dokumentarfilm modern und fetzig und trotzdem lehrreich ist. Ich finde die Bilder nach wie vor stark, auch wenn ich sie einfacher und sicherlich oberflächlicher zusammengebaut sind als jene von Michael Glawogger.
Es gibt natürlich auch eine Live-Version, die wir – Markus Kienzl, Wolfgang Frisch und ich – schon dreimal präsentiert haben. Es funktioniert relativ einfach, problematisch dabei ist, dass man im Stehen nicht mehr als 60 Minuten schafft. Die Bilder sind zu stark. Es ist nichts, wozu man tanzen kann, es ist nicht clubtauglich, es müsste wieder in einem sitzenden Saal funktionieren. Ich möchte auch nicht, dass es ein reines Visuals-Konzert wird, weil ich da zuviel Ehrfurcht vor den Bildern habe. Es soll ein Film bleiben, mit Live-Einfluss wäre natürlich interessant.
Was ich an meinem Projekt interessant finde ist, dass es eine Erweiterung, ein wirklicher Remix ist, der auf Filmbasis funktioniert. Mir wäre es zuwenig gewesen, das Ganze nur live zu zeigen und nur live zu scratchen. Darüber wollte ich hinausgehen.

 

Interview: Karin Schiefer / © 2006 Austrian Film Commission